Webdesign im Konflikt mit visueller und kognitiver Behinderung

Webdesign im Konflikt mit visueller und kognitiver Behinderung

Inhalt:

Grafiken für Blinde?

Grafiken, Farben und andere visuelle Elemente sind nicht direkt zugänglich für Personen die blind sind. Sie können sie nicht sehen und dadurch können sie auch keinen Nutzen aus diesen ziehen. Wenn Sie speziell für blinde Menschen Inhalte im Internet erstellen, sind solche visuellen Elemente nicht notwendig. Es kann sogar gesagt werden, dass diese dabei im Weg stehen, Inhalte zu erstellen, die für Blinde zugänglich sind. Menschen, die blind sind, greifen auf Webinhalte zu, indem sie eine Software benutzen, die den Text in künstliche Sprache umwandelt. Diese Software – oft auch als Bildschirm Leser bezeichnet – liest die Textinhalte laut vor, aber sie kann nicht automatisch Grafiken interpretieren. Meistens kann sie aber die Textbeschreibung des Bildes vorlesen (alternativen Text, oder auch alt-Text), falls diese von der Person, die die Inhalte erstellt hat, zur Verfügung gestellt wird. Mit diesem Wissen befürworten einige Leute "nur Text" Versionen von Websites. Diese Leute gehen von der Annahme aus, dass nur Text und zugänglich dasselbe sind. Im Falle blinder Benutzer mag dies vielleicht stimmen, aber das Problem dieser Annahme ist, dass sie andere Arten von Beeinträchtigungen ignoriert.

Menschen mit motorischen Behinderungen oder Beeinträchtigungen des Gehörs werden wahrscheinlich nicht allzu viel von einer "nur Text" Version profitieren. Tatsächlich kann eine "nur Text" Version die Bedienbarkeit für diese sogar verschlechtern, da eine solche Version alle sichtbaren Hinweise und Illustrationen, welche die inhaltliche Verständlichkeit verbessern könnten, entfernt. Fast jeder, der normal sehen kann, zieht einen Nutzen aus visuellen Elementen. Dieses trifft auf Menschen mit kognitiven Behinderungen besonders zu.

Texte bei kognitiven Behinderungen?

Es gibt eine große Vielzahl von kognitiven Behinderungen, die von kaum wahrnehmbaren Symptomen bis hin zur nahezu vollständigen Abwesenheit von messbaren kognitiven Aktivitäten reichen. In manchen Fällen können Betroffene gar keinen Text lesen, so dass Grafiken dieselbe Funktion wie der Text erfüllen müssen, um auch dieselbe Nachricht zu kommunizieren. Betrachten Sie zum Beispiel den Screenshot der Homepage von Peepo.com für eine Seite, die ausschließlich aus Bildern besteht und speziell für Menschen mit kognitiven Behinderungen entworfen worden ist.

Screen shot of peepo.com home page, showing several icons, such as a joystick, a smiling face, a television, and others

Folgende Frage kommt dadurch auf: Wie erstellt man Inhalte im Internet, die für beide benutzbar sind, für Menschen, die keine Bilder sehen, als auch für diejenigen, die stark von ihnen profitieren? Ist es möglich, ein einziges universelles Design zu entwerfen, das die Bedürfnisse beider Gruppen befriedigt?

Dem universellen Design nahe kommen

Zuerst einmal ist es unmöglich, eine einzige Version von Webinhalten zu entwerfen, die im gesamten Spektrum von Behinderungen gleichermaßen verständlich ist, noch nicht einmal innerhalb des Spektrums kognitiver Behinderungen. Das Konzept eines wahrhaften universellen Formats hört sich zwar an wie eine wundervolle Idee, aber sie ist leider unerreichbar. Dennoch ist es möglich Webinhalte zu erstellen, die sich dem Ideal eines universellen Designs annähern, sogar wenn dies nicht erfolgreich in Bezug auf den absoluten Sinn ist.

Wichtig:
Webentwickler sollten sich bemühen, ihren Inhalt so universell wie möglich zu gestalten, und sich daran erinnern, dass es immer eine kleine Minderheit von Menschen geben wird, für die diese Inhalte nicht vollständig zugänglich sind.

Der Konflikt zwischen den Bedürfnissen der Menschen, die blind sind, und denen mit kognitiven Behinderungen ist ein sehr interessanter Punkt. Die eine Gruppe hat keinen Bedarf an visuellen Elementen, während die andere Gruppe einen echten Nutzen aus diesen zieht. Achten Sie bitte genau auf die Formulierung des vorherigen Satzes: Es mag stimmen, dass visuelle Elemente für Blinde nicht notwendig sind, aber sie sind auch nicht schädlich für sie – das ist der Schlüssel. Entwickler sollten bestrebt sein, die Inhalte durch angemessene visuelle Elemente aufzuwerten und solange diese von einem alternativen Text unterstützt werden, entsteht auch kein Konflikt. Kognitiv eingeschränkte Benutzer sind in der Lage die visuellen Elemente zu betrachten, und Blinde haben gleichzeitig Zugang zu den alternativen Texten. Das Endresultat ist ein einziges Dokument, welches über eine eingebaute »Nur Text«-Version verfügt. Hier ist keine Notwendigkeit für eine separate »Nur Text«-Version. Vielmehr für eine visuell erweiterte Version für Benutzer mit kognitiven Behinderungen. Dies ist eine gute Empfehlung, Webinhalte zu gestalten.

Die Ausnahmen

Jedoch sind auch Ausnahmen zu nennen. Wenn ein Webentwickler versucht, Inhalte zu erstellen, die speziell auf Benutzer mit bestimmten kognitiven Behinderungen ausgerichtet sind, so ist die beste Empfehlung, eine nur aus Bildern bestehende Version zu entwerfen, die auf deren besondere Bedürfnisse abzielen. Schauen Sie sich hierzu den Screenshot der Homepage von Peepo.com an:

Screen shot of peepo.com home page, showing several icons, such as a joystick, a smiling face, a television, and others

Wie sich herausstellt, stellen diese Grafiken ein Menü-System dar. Wenn Sie zum Beispiel auf der Grafik den Joystick anklicken, bekommen Besucher den Zugang zu einer Auswahl von Spielen. Die Auswahl ist ebenfalls komplett graphischer Natur. Alle Symbole repräsentieren ein anderes Spiel, das der Benutzer spielen kann. Die Seite verwendet außerdem eine grafische Hilfs- oder Brotkrümel-Navigation in der oberen linken Ecke. Die Katze repräsentiert Startseite von Peepo.com. Der Joystick sagt uns, dass wir uns im Spielebereich der Webseite befinden. Der Pfeil in der unteren rechten Ecke sagt uns, dass zusätzliche Spiele auf der nächsten Seite verfügbar sind.

Screen shot of the peepo games page, showing more icons, such as colored pencils, musical notes, and a car

Das Schöne ist, dass diese Webseite leicht zugänglich für Menschen gemacht werden kann, die blind sind, obwohl es auf der ganzen Seite keinen sichtbaren Text gibt. Bildschirmleser (Screen readers) sind in der Lage die alternativen Texte vorzulesen, welche die Autoren für die Grafiken bereitstellen.

Wie auch immer, diese Seite ist nicht allen Empfängern zugänglich. Die meisten Menschen ohne Behinderung verstehen nicht, was die Seite auf den ersten Blick zu bieten hat. Sie sehen eine Sammlung von Bildern und denken, dass mit der Seite etwas nicht stimmt, oder sie wundern sich einfach, was die Intention des Autors war. Ohne unterstützenden Text sind viele Leute verwirrt. In Bezug auf diese spezielle Webseite, besteht die Zielgruppe aus Menschen, die nicht gut oder gar nicht lesen können. Ein zusätzlicher Text würde diese Zielgruppe nur verwirren. Diese Seite zeigt eine Ausnahme der Regel auf, dass mit Universalität gearbeitet werden soll. Die charakteristischen Merkmale der Zielgruppe erfordern ein einfaches Design, selbst unter Ausschluss anderer Empfänger.

Fazit

Peepo.com ist interessant, weil es sich auf eine besondere Art einer Behinderung fokussiert, aber nur wenige Webentwickler erstellen Seiten ausschließlich für Menschen mit besonderen kognitiven Behinderungen. Die meiste Zeit ist es die Absicht, zu versuchen das größtmögliche Publikum zu erreichen. Entwickler können den Bedürfnissen der Benutzer mit schwächeren kognitiven Behinderungen entgegenkommen, indem sie angemessene Bilder zur Verfügung stellen, visuell gestaltete Inhalte verwenden, Überschriften und andere optische Bedeutungen verwenden, um den Inhalt hervorzuheben. Entwickler können den Ansprüchen von Menschen, die blind sind, entgegenkommen, indem sie die visuellen Elemente mit alternativen Texten hinterlegen. Die Bedürfnisse von diesen beiden Arten von Behinderungen stehen nicht zwingend im Konflikt zueinander. Es ist nur die Frage, wie die jeweilige Perspektive dargestellt wird und so arbeitet, dass die speziellen Bedürfnisse erfüllt werden.

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